Kurs Nord – Dänische Südsee

Nun, das meiste passt hinein, Michaels Feathercraft K1 "Ingen Pauser", einer der letzten großen Frachtsegler unserer Tage
und Hans-Jürgens Lettmann Nordstern "Merlin", Raumschiff zur See, schlucken, was sie können.

Paddelerlebnisse am 55. Breitengrad

Von Michael Kommant (Text) und Hans-Jürgen Otten (Fotos).

Sommer 2003

Also lautet der Beschluss: Wir müssen paddeln! Auf dem Meer! Das Revier ist schnell gefunden. Nachdem wir im vorigen Jahr bei einer Umrundung der dänischen Ostseeinsel Als einen Blick auf den Kleinen Belt werfen konnten, soll es diesmal die dänische Südsee, also das Gebiet zwischen Fyn und Ærø sein. Zum Ausgangspunkt der Reise wird Bojden auf Fyn bestimmt, Hafen der Fährverbindung zwischen Als und Fyn. Der Zeltplatz liegt dicht am Hafen, so daß keine langen Transportwege über Land nötig sind. An diesem Tage, wir sind am Nachmittag angekommen, bläst noch ein kräftiger Wind mit 5-6 Bft. Wir wollen am nächsten Morgen starten, heute nehmen wir nur noch einmal die unbeladenen Boote und machen eine kleine Sturmfahrt in einer Bucht.

Ein schmaler Streifen sandiger Kies trennt das Land vom Haff. Der salzige Geruch des Meerwassers erfüllt die Luft
. Wir patschen mit nackten Füßen durch's glasklare Wasser und möchten gar nicht mehr nach Hause.

Unwichtige Dinge wie Handtücher und Zahnbürste werden vorerst beiseite gelegt, wichtige Dinge wie Wein, Pasta, Spaghetti werden zuerst gestaut. Der Rolltisch muss zurückbleiben. Einiges wird dann doch noch an Deck verstaut und endlich können wir in See stechen. Die erste Etappe führt uns nach Lyø By, hier machen wir eine Mittagspause am Rande eines Vogelschutzgebietes. Die Landschaft ist beeindruckend! Wasser, Himmel, Weite!
Weiter geht es zur Insel Avernakø, die Sonne bricht durch, wir liegen wieder am Strand und frieren - es ist immer noch windig. Am Abend erreichen wir Korshavn, wir dürfen auf einer Wiese am Hafen zelten. Abends dann wie jeden Tag der Seewetterbericht über den Norddeutschen Rundfunk auf Mittelwelle: Sturm- und Starkwindwarnung für den nächsten Morgen!


Da beim angekündigten Wind der Stärke 7, den wir von der Seite haben würden, auch die relativ kurze Überfahrt von einer Seemeile nach Fyn nicht ganz ungefährlich erscheint, beschließen wir, schon im Morgengrauen aufzubrechen, so daß wir rechtzeitig vor dem Sturm wieder unter Land sind. Für ein Abwettern auf Avernakø sind wir nicht verproviantiert, zumindest nur sehr notdürftig. Als wir dann aufbrechen, herrscht schon Wind 3-4, wir machen uns sturmklar, alles wird doppelt verpackt und verzurrt. Verrutschte Ladung hat schon so manches Schiff in Seenot gebracht! Inzwischen passt auch das gesamte Gepäck in das Boot, je häufiger man aus- und einpackt, desto kompakter wird die Ladung. Während der Überfahrt frischt es weiter auf, in Böen werden sicher die 6-7 Windstärken erreicht, wir kämpfen, der Weg scheint immer länger zu werden. Die Wellen klatschen uns ins Gesicht. Endlich erreichen wir Fyn am Nakkebølle Fjord. Wir landen kurz an, lecken unsere Wunden, machen eine Brotzeit und setzen dann Ostkurs, unter Land gegen den Wind. Der Campingplatz bei Ballen ist unser heutiges Ziel.

 

Die Küste ist steinig und wunderschön; da wir nur langsam vorankommen, haben wir ausgiebig Gelegenheit, alle Details in uns aufzunehmen. Stunden später erreichen wir den Zeltplatz. Die Küste ist felsig und Wind und Brandung stehen genau auf unsere Landungsstelle. Na toll! Wie kommen wir denn jetzt heile an Land? Es hilft nichts, eine Stelle suchen, an der es weniger zu schäumen scheint, mit der Welle und Schwung auf das Ufer tragen lassen und raus aus dem Boot. Das gelingt auch unfallfrei, später entdecken wir dann ein Loch im Feathercraft, wahrscheinlich entstanden, als das Boot in der Brandung aus dem Wasser gezogen wurde. Ein Fahrradflicken behebt den Schaden.

In Ballen beschließ en wir, den Sturm abzuwettern, denn kaum daß wir angekommen sind, schwemmt uns ein heftiges Gewitter fast von der Klippe. An diesem Tag erkunden wir auf einem Spaziergang das Hinterland, vom Boot aus sieht man Dänemark ja kaum. Der nächste Tag präsentiert sich weiterhin windig und regnerisch. Auf dem Meer stehen Schaumkronen. Wir beschließen, noch einen Tag zu bleiben und Feldforschung unter landeskundlichen Aspekten zu betreiben. Am Yachthafen finden wir kostenlose Leihräder, zur Verfügung gestellt vom örtlichen Supermarkt. Wir machen eine Radtour durch die Umgebung, staunen über die, aus norddeutscher Perspektive, geradezu bergige Landschaft, sehen eine Plantage mit Weihnachtsbäumen für Deutschland und bedanken uns für den Fahrradservice durch einen Einkauf beim Sponsor. Am Abend dann wird in Dänemark gefeiert: die St. Hans-Feuer werden entzündet.

Wenn es an diesem Abend dunkel wird in Dänemark, kann man an der ganzen Küste entlang die Feuer brennen sehen. Ein unvergesslicher Anblick. Das äußerst beliebte traditionsreiche Volksfest wird in Dänemark immer am Abend des 23. Juni begangen. Ein fester Bestandteil der dänischen St. Hans-Feiern ist es, auf dem Feuer eine Strohpuppe zu verbrennen, womit symbolisch eine Hexe auf den Blocksberg zurückgeschickt wird. Im Mittelalter sollten mit dem St. Hans-Feuer die bösen Geister vertrieben und so eine gute Ernte gewährleistet werden. Im 19. Jahrhundert hat sich der Brauch dann in eine symbolische Hexenverbrennung umgewandelt. Wegen des starken Windes dauert das Fest jedoch nicht lange, das Feuer brennt sehr schnell herunter und keiner mag lange im Wind stehen.

Am nächsten Tag gibt es wenig Wind und viel Sonnenschein. Frühstück, einpacken und weiter geht es. Bei leichtem Wind und Sonnenschein fahren wir in den Svendborg Sund ein, unterqueren die Hochbrücke und machen eine Mittagspause gegenüber der kleinen Stadt. Neugierige Schafe steigen fast in die Boote, wir retten unsere Vorräte und fahren weiter zwischen Tåsinge und Thurø hindurch in Richtung Vemmenæs an der Südostspitze von Tåsinge, dort soll sich ein Campingplatz befinden. Als wir freies Wasser erreichen und die Lunkebugten überqueren wollen, frischt prompt der Wind auf und wir dürfen wieder durch die Wellen tauchen, die sich hier am Übergang vom tiefen zum flachen Wasser aufbauen. Eine kleine Bohrinsel in der Bucht erregt zwar unsere Neugierde (plant Dänemark, der OPEC beizutreten?), auf eine Erkundung wird aber wegen des Wetters und der fortgeschrittenen Zeit verzichtet. Wir suchen den Campingplatz. Die Sonne sinkt, wir suchen den Campingplatz. Wir suchen immer noch den Campingplatz, schließlich sehen wir jemanden an Land und erkundigen uns. Tatsächlich haben wir den Campingplatz gefunden, das heißt, wir haben den Platz gefunden, an dem dieser einmal war. Wir dürfen trotzdem eine Nacht am Ufer zelten, mit Wasser werden wir auch versorgt, im Fernglas ist die Brücke über den Großen Belt zu erkennen, das Wasser ist glasklar und ruhig - was wollen wir mehr?

Nur daß das Zelt unter einer Schicht kleiner schwarzer Käfer verschwindet, irritiert etwas. Was mag an Michaels Zelt so lecker sein? Die Käfer werden angeblich von der Farbe gelb angezogen, das Zelt ist doch aber grün?
Am Morgen Sonnenschein und Windstille, wir gehen in der Ostsee schwimmen, das Wasser ist auch gar nicht warm. Nun geht es auf Südwest-Kurs, wir wollen Tåsinge umrunden.

Wir brüten in der Sonne und machen Mittagspause auf Odden, einer kleinen, unbewohnten Insel zwischen Tåsinge und Hjortø . Wir genießen die Stille und setzen Kurs über das freie Wasser auf Skarø. Kurz vor Skarø kreuzen wir das Fahrwasser, in dem heute reger Verkehr herrscht. Solange es so windig war, blieben die Hobbysegler im Hafen und wir hatten die Ostsee für uns. Heute sind sie aber alle unterwegs und wir müssen auf den Querverkehr achten. Auch im Svendborg Sund, in den wir jetzt wieder einfahren, ist Betrieb und wir haben wieder Wellen, diesmal nicht wegen des Wetters sondern wegen der Motorboote und Fähren. Hinter Svendborg biegen wir Richtung Skårupøre ab. Hier wird es wieder ruhig, da die Durchfahrt zum Skårupøre Sund für Segler und Motorboote zu flach ist. Auch unser Kiel schrammt an einigen Stellen über Grund. Der frühe Abend findet uns auf dem Campingplatz von Skårupøre, der späte Abend in einem hervorragendem Restaurant am Ostseestrand, die Nacht vollgefressen im Zelt.

In drei Tagen müssen wir wieder daheim sein, Zeit, auf Westkurs zu gehen. Einmal noch rund um Thurø. Hier treffen wir das erste Mal auf andere Paddler in Fahrt, zwei einheimische Seekajakfahrer.

Weiter geht es in den Svendborg Sund, diesmal von der Ostseite. Pause und Landgang ist in Svendborg geplant. Beim dortigen Ruderclub finden wir einen geeigneten Anleger für unsere Ozeanriesen. Wir können uns umziehen und für den Landgang den  großenAusgehanzug anlegen und die Boote an geschützter Stelle zurücklassen. Svendborg ist eine ausgesprochen attraktive Stadt mit einladenden Kneipen. Straßenmusikanten scharen eine Menge Zuhörer um sich. Leider haben wir nur wenige Stunden Zeit. So können wir nur unsere Vorräte ergänzen und einen kurzen Stadtbummel machen. Weiter geht es Richtung Westen durch den Svendborg Sund, an Ballen vorbei Richtung Nakebølle Fjord. Das Wetter ist gut, die See spiegelglatt, die Sicht reicht im Wasser meterweit. Kaum zu glauben, daß wir hier noch vor wenigen Tagen schwarzes, aufgewühltes Wasser hatten mit Wellen, über die man kaum drübersehen konnte. Wir lassen uns also dazu verleiten, weit draußen, kilometerweit vom Ufer entfernt, zu fahren.

Es ist tatsächlich wie in der Südsee, nur farbenprächtige Fische und Korallen gibt es nicht. Dafür Quallen in allen Größen. Gelegentlich so dicht, dass sie das Boot bremsen.
Es ist tatsächlich wie in der Südsee, nur farbenprächtige Fische und Korallen gibt es nicht. Dafür Quallen in allen Größen. Gelegentlich so dicht, dass sie das Boot bremsen.

Weiter geht die Reise um Store Svelmø herum und vor uns kommt schon in etwa einer Seemeile Entfernung der Campingplatz bei Nabbe in Sicht. Im Fernglas suchen wir den Ausstieg und finden eine Rampe, auf der wir die beladenen Boote mit Hilfe der Bootswagen auf das hohe Ufer hinaufziehen können.

Die Freude darüber schwindet, als sich die befestigte Rampe in einen Weg aus tiefem, losen Sand verwandelt. Wir müssen die Boote das Steilufer hinaufwuchten. Und das nach über 16 Seemeilen. Da schmeckt das Bier am Abend noch mal so gut.

Die letzte Etappe. Das Wetter hält, wir fahren wieder quer über das offene Wasser. Vor dem Fåborg Fjord, kaum an Bjørnø vorbei, passiert es dann: vor uns taucht ein Fährschiff in voller Fahrt voraus auf - und wir wissen in diesem Augenblick nicht genau, ob wir das Fahrwasser gerade passiert haben, oder ob wir es genau vor uns haben.

Hier treffen wir das erste Mal auf andere Paddler in Fahrt, zwei einheimische Seekajakfahrer.

Die Tonnen liegen weit auseinander und sind mangels Beschriftung auch mit dem Fernglas nicht eindeutig zu identifizieren. Also mit Seekarte und Kompaß eine Kreuzpeilung und wir stellen fest, dass wir uns unmittelbar vor der Fahrwassergabelung befinden. Alles geht klar, die Fähre rauscht an uns vorbei. Nur zur Übung noch einmal mit dem GPS geprüft, welches unsere Peilung bis auf wenige Meter Abweichung bestätigt.

Weiter geht es in den Svendborg Sund, diesmal von der Ostseite. Pause und Landgang ist in Svendborg geplant
Weiter geht die Reise um Store Svelmø herum und vor uns kommt schon in etwa einer Seemeile Entfernung der Campingplatz bei Nabbe in Sicht

Noch einmal nach Lyø zur Mittagspause, diesmal am Leuchtturm an der Nordspitze. Vor uns liegen die letzten 5 1/2 Seemeilen dieser Paddelreise. Wir lassen Beine und Seele baumeln und die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Anstrengend war's, aber schön, und wir beschließen, wenn möglich, wiederzukommen. Über den Lyø Krog geht es um die Sønderhjørne an der Spitze von Hornenæs herum, am Fährhafen vorbei in die Bucht vorm Campingplatz von Bojden. Auf diesem Weg treffen wir nun auf einmal auf ein weiteres Faltboot. Ein deutsches Pärchen sticht mit einem Faltbootzweier ohne Helm, Gepäck und Spritzdecke mit unbekanntem Ziel in See. Wir haben sie nie wiedergesehen.

Unser Fahrtgebiet

Die Fahrt ist zu Ende, das letzte Löschen der Ladung. Wir verbringen den späten Nachmittag mit Schwimmen, Schnorcheln, Weintrinken. Am nächsten Morgen geht es früh auf die Fähre Richtung Heimat.

Unsere Literaturempfehlung: Georg und Richard Precht: „Das Schiff im Noor“, Goldmann-Verlag 2000.

 

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